"Hat man erklärt und belehrt, hat man die richtige Einsicht verschafft, so folgen zunächst Erinnerungen, dann erst Strafen und auch bei diesen ist mit den milderen zu beginnen. Man nimmt nicht sogleich das erste Mal drei Morphium-Pulver, sondern beginnt mit einem, und wenn dieses nicht hilft, kommen auch noch nicht drei, sondern zuerst zwei.”
Oppel Karl: Das Buch der Eltern, 1877
Die Auseinandersetzung mit Leere ist ein zentrales Thema in den Arbeiten von Georg Pinteritsch. Er beschäftigt sich mit dem Spannungsverhältnis in das abstrahierte Körper, Passagen und lose Objekte in einer verzerrten Umgebung und kargen Landschaft treten. Pinteritsch kombiniert Ästhetik und den symbolischen Gestus des mittelalterlichen Holzschnitts mit streng geometrischen Linien. Manchmal sind diese Linien nur durch die Anordnung der Objekte angedeutet und lassen Betrachtende eine Art übergeordnete Struktur erkennen. Die gezeichnete Linie, welche Flächen und Formen voneinander trennt, bestimmt Position und Komposition, teilt die verschiedensten Flächen und ist ein fundamentaler Baustein seines zeichnerischen und malerischen Schaffens. Die Arbeiten erzählen von sonderbaren Ritualen und unbenannten Orten, denen eine unsichtbare Ordnung innewohnt und die durch ein Netz aus Linien- und Formkonstruktionen zusammengehalten werden.
„Ich erinnere mich an Situationen, in denen ich aus Unruhe an Papierresten von Fahrkarten oder Rechnungen herum knete. Die Zettel liegen in meinen Taschen und ich verziehe sie, sodass sich aus den Streifen neue Schnipsel formen. Ich rolle sie zu kleinen Kugeln, löse die Kugeln auf und beginne von vorne sie zu Kugeln zu rollen. Alles passiert unbewusst und losgelöst von jedweder Urteilskraft. Im Moment, in dem ich mir dieser Beschäftigung bewusstwerde, sehe ich mir die daraus entstandenen Objekte an. Größtenteils sind es lästige Würstchen die ich irgendwohin werfe. Mich interessiert dieser unbewusst schöpferische Aspekt, welchem ich im Prozess des Zeichnens nachstrebe. Ich bleibe zurück und setze meinen Fokus auf Details. Details, die ich durch meine Arbeit zu einem Gesamten zusammenfüge."
Inhaltlich beschäftigt Georg Pinteritsch das Spiel mit symbolträchtigen Motiven und existenzialistischen Fragestellungen unter Bezugnahme von gesellschaftlichen wie technologischen Entwicklungen sowie der damit einhergehenden Veränderung von Wahrnehmungsformen. Ausgangspunkt der Ausstellung "Jus studieren für'n Vater" war die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ansprüchen und Normen und einem daraus entstehenden Gefühl andauernder Überforderung im Zuge von Selbstoptimierungsprozessen, um ihnen gerecht werden zu können. Den in diesem Kontext entstehenden Fragen nach diversen Ausprägungen von Scheinheiligkeiten, der Konstitution von Bestrafung im Allgemeinen und der Auslotung der Balance zwischen Strafe und Fetisch, geht der Autor und Essayist Alexander Wöran in dem zur Ausstellung erscheinenden Kurzprosatext „Kleine, scheinheilige Welt“ nach. Der Text liegt während der Laufzeit vor Ort auf, zur Eröffnung liest der Autor daraus.
Alexander Wöran - Kleine, Scheinheilige Welt